samstag, 04. märz 2017, 18 Uhr
Atelierkonzert
verschoben vom 19.11.2016
mit dem Duo „Im Goldrausch“
Klarinette – Sabina Matthus-Bébié
Akkordeon – Felix Kroll
Das Duo „Im Goldrausch“, Felix Kroll, Akkordeon und Sabina Matthus-Bebie, Klarinette/Bassklarinette liebt besondere und außergewöhnliche Werke für ihre Besetzung. Helmut Oehring hat für das Duo mit dem Werk „Come not near“ (Zitat aus „Sommernachtstraum“,Shakespeare) ein spannendes Hörerlebnis geschaffen. Zeitverschiebung spielt bei Isabelle Mundrys Stück „Spiegelbilder“ eine Rolle. Unterschiedliche Tempoangaben führen die Musiker aneinander vorbei, zueinander oder voneinander weg. In „In die Tiefe der Zeit“ verwebt Toshio Hosokawa auf einzigartige Weise Musik und Natur, östliche und westliche Philosophie ineinander. Seine Intention, Töne entstehen und vergehen zu lassen, Klänge ineinander zu verweben, passt zu dem gesamten Programm des Ensembles. Mela Meierhans‘ Solostück für Klarinette „Narziss und Echo“ schenkt dem Projekt mit der Verwendung von Viertel- und Achteltönen ein außergewöhnliches Klangerlebnis.
Helmut Zapfs „Sommer“ und Iris ter Schiphorsts „Miniaturen“ vervollständigen das abwechslungsreiche Konzept.
Programm
Mela Meierhans(1961*)
„Narziss und Echo“ (2004)
Für Klarinette solo
Mela Meierhans (1961*)
„drift“ (2004)
für Akkordeon solo
Iris ter Schiphorst (1956*)
“Miniaturen” (2008)
Für Klarinette und Akkordeon
Toshio Hosokawa (1955*)
„In die Tiefe der Zeit“ (2001)
Für Klarinette/Bassklarinette und Akkordeon
Isabel Mundry (1963*)
„Spiegelbilder“ (1996)
Für Klarinette und Akkordeon
Helmut Oehring (1960*)
„Come not near“ (2015)
Für Klarinette/Bassklarinette und Akkordeon
Helmut Zapf (1956*)
„Sommer“ (1972)
Für Klarinette in B und Akkordeon
Zu den Stücken
Mela Meierhans
„NARZISS UND ECHO“ / 2004
Narziss: Eine Geschichte der Sehnsucht nach Identität / Selbstidentität; nach Aufhebung eines ursprünglichen Zerstreutseins (vgl. Derridas dissémination), die prinzipiell zum Scheitern verurteilt ist. Erkenntnis und Anerkennung des eigenen Selbst sind auf die Wahrnehmung und die Antwortfähigkeit anderer angewiesen.
Echo: Figur, die wenig Beachtung gefunden hat. Die kleine Geschichte einer unbedeutenden Nymphe, die in der Erinnerung nur überlebt hat wegen ihres Zusammentreffens mit Narziss. Überlebt hat sie vor allem im Phänomen der Echolalie, die ein automatisches und sinnloses Nachsprechen von Wörtern meint.
Eine andere Lesart bietet Derrida, der die Verstümmelung der Echo zwar ernst nimmt, aber zeigt, wie auch die Unterworfene die ihr eigenen Mittel nutzen und zu ihrem Vorteil einsetzen kann. Foucaults Machtbegriff. (AUSZÜGE AUS Sidonia Blättler: Skizzen zu Narziss und Echo)
Das Tonmaterial ist aus der Obertonreihe der Töne H und C gewonnen, mit Abweichung von der temperierten Skala. Indem der Halbton in sechs Schritte unterteilt wird, ergeben sich Mikrodistanzen.
„drift“ / 2004
von widerständen II „drift“
Studie für Akkordeon solo
drift treiben, wehen, verschwimmen
Strömung
Verwehung
Geschiebe
Richtung, Tendenz
drift off eindämmen
drift ice Treibeis
drift sand Treibsand
Folgendes Erlebnis hat mich bei der Arbeit an dieser Komposition beeinflusst:
Beim Treffen und Ausprobieren mit dem Akkordeonisten erlebte ich die „Sensation“, dass plötzlich die Zeit stillzustehen schien, ich sah zwar, wie der Balg sich bewegte, aber der Klang stand still.
Es war diese ganz langsame Bewegung, die mich faszinierte: ein Driften eben. Ein Driften zwischen Stillstand und Bewegung.
Im Weiteren interessierten mich die Tonhöhenfärbungen, die Schwebungen / Oszillationen und Tonhöhen-Schwankungen auf einem Akkordeon.
Und schließlich die Wiederholung als Stilmittel zu einem „geführten Hören“:
Wie werden musikalisch gleiche oder ähnliche Klang-Einheiten in anderer Reihenfolge und Dynamik gehört? Welche Beziehungen entstehen? Sind Dialoge möglich?
Iris ter Shiphorst
„MINIATUREN“ / 2008
In meiner Jugend war ich ein großer Schumann-Fan, Werke wie ‘Carneval’, ‘Kreisleriana’ oder auch ‘Papillions’ gehörten (und gehören!) zu meinen Lieblingsstücken. Fasziniert hat mich u. a. ihre Form, diese kurzen aneinander gereihten expressiven Stücke, die doch zusammen gehören.
Die ‘Miniaturen für Klarinette und Akkordeon’ sind von dieser ‘alten Liebe’ inspiriert…
Die Liebe zum Akkordeon wurde durch den finnischen Akkordeonisten Janne Rättyä angefacht, den ich vor vielen Jahren durch einen großen Zufall kennen gelernt habe. Sein Spielen hat mich sofort total begeistert -; ich war mir bis zu dieser Begegnung überhaupt nicht bewusst, was für wunderbare Möglichkeiten das Instrument ‘Akkordeon’ in sich birgt.
Janne war es auch, der mich zu meinem ersten Solo-Akkordeonstück inspiriert hat…
‘Miniaturen für Klarinette und Akkordeon’ verdanken sich einem Kompositionsauftrag der Klangwerkstatt Kreuzberg (Berlin) und wurden ursprünglich geschrieben für das Duo Nancy Laufer und Jürgen Kupke.
Toshio Hosokawa
„IN DER TIEFE DER ZEIT “ / 2001
Ein Ton entsteht, wird intensiver und verschwindet, vergleichbar mit dem Rhythmus des Werdens und Vergehens in der Natur, dem Atmen der Lebewesen oder den Meereswellen. Dem japanischen Komponisten Toshio Hosokawa ist es wichtig, sich tief in den Ton hineinzuversenken, „vertikal“ die „Landschaft“ eines bestimmten Klanges in all ihren Farben und Schattierungen zu ertasten. Der Komponist verwebt auf einzigartige Weise Musik und Natur, östliche und westliche Philosophie ineinander. Im 1994 komponierten „Die Tiefe der Zeit“ symbolisiert das Cello das männliche Prinzip, das Akkordeon das weibliche sowie die Streicher das Universum, die Luft und die Wolken.
Isabel Mundry
„SPIEGELBILDER“/ 1996
Die Komposition richtet ihren Blick auf die Polyphonien Guillaume Dufays. Beiläufiges kann motivisch werden, jedes Motiv beiläufig, jede Systematik ist vorübergehend und in jeder Auflösung steckt ein Keim des Fortganges. Immer wieder gibt es annähernd kanonische Gebilde, die jedoch wegen Überlagerungen, Verschiebungen oder zeitlicher Verzerrungen niemals reine Wiederholungen entstehen lassen.
So entwickelt sich formal ein imaginärer Dialog. Die Gedanken einander zuspielend, reagiert jedes der beiden Instrumente auf seine eigene Art, einmal konkret, ein anderes Mal assoziativ, und jeweils in seiner ihm eigenen Zeit.
Helmut Oehring
„COME NOT NEAR “ / 2015
You spotted snakes with double tongue,
Thorny hedgehogs, be not seen;
Newts and blindworms, do to wrong;
Come not near our Fairy …
William Shakespeare, A Midsummernight’s Dream
Nur was nicht ist, ist möglich!
Shakespeares Werk ist ein Schrei. Immer wieder.
Er bewegt und zerreißt den Vorhang, der uns von der Wahrheit trennt –
von der »Unwirklichkeit der Realität und der Verheißung, dass der Felsen der Welt
auf dem Flügel einer Elfe gegründet ist« (Scott Fitzgerald).
Musik ist ein solcher Schrei. Die Verse Shakespeares sind ein solcher Schrei.
Klang entstehender Stille und Stummheit. Erstummung.
Erschwiegenes Bild. Sonnenfinsternis. Ein Dröhnen.
Helmut Oehring
Zu den MusikerInnen
Sabina Matthus-Bébié, Klarinette
wurde 1975 in San José, Costa Rica geboren. Sie wuchs in Thun, Schweiz auf und machte da ihre erste Ausbildung als Primarlehrerin. Sie studierte danach Klarinette und Bassklarinette an der Hochschule für Musik und Theater Bern/Biel bei Ernesto Molinari. Seit Juli 2004 lebt und arbeitet sie in Netzeband, Ostprignitz und unterrichtet Klarinette an der Kreismusikschule Neuruppin. Sie hat für die Kammeroper Schloss Rheinsberg 2004 in Abyssus – Gregorianische Gesänge und Jazzimprovisation“ mitgewirkt und Orchester der Opernwerkstatt unter der Leitung von Ingo Ingensand gespielt. 2004 gab sie einen Soloabend mit Werken des 20.Jahrhunderts,unter anderem mit Werken von Luciano Berio, Edison Denissow, Louis Cahuzac, Eric Dolphy und dem „Kleinen Harlekin“ von Karlheinz Stockhausen. Sie hat 2008 und 2011 bei den „Intersonanzen“ Potsdam gespielt. Der Komponist Peter Francesco Marino hat für sie ein Konzert für Bassklarinette und Streichorchester „Komm süsses Kreuz“ welches am 20.März 2009 in Hannover uraufgeführt wurde, komponiert. 2010 wurde für sie das „Capriccio“ für Klarinette und Klavier von Siegfried Matthus geschrieben. Das Werk hat sie in 2011 uraufgeführt. Seit 2009 leitet sie auch die Kammermusikreihe „Vier Jahreszeiten“ in Netzeband und hat 2011 erstmals mit namhaften Klarinettisten (Theo Nabicht, Ingolfur Vilhjalmsson, Hans Koch, Claudio Puntin und dem Perkussionisten Alexandre Babel) das Projekt Klarinettenfestival „Carte blanche“ ins Leben gerufen.
Felix Kroll, Akkordeon
Geboren in Ost-Berlin, 3 Jahre vor der Wende, versucht Felix Kroll die Mauer der Vorurteile über sein Instrument zu brechen. Dabei bedient er sich dem weit gefächerten Spektrum seines Instruments von Volksmusik bis zur Avantgarde. Wobei der Kontakt und die Auseinandersetzung mit der Gegenwart stets im Vordergrund steht. Schon früh bringt er Werke Neuer Musik zur Uraufführung und arbeitet mit Komponisten wie Friedrich Goldmann, Georg Katzer, Sidney Corbett, Helmut Oehring, Friedhelm Döhl oder Younghi Pagh-Paan zusammen.
Sein Studium an der Hochschule für Künste in Bremen bei Margit Kern, sowie in Finnland bei Mikko Luoma, gaben ihm die Möglichkeit der intensiven Auseinandersetzung mit einer großen Bandbreite von Werken der Neuen Musik, als auch dem sinnvollen Umgang mit alter Musik aus dem Barock oder der Klassik. Weitere wichtige Einflüsse erhielt er durch die Arbeit mit Gerhard Scherer, Claudia Buder und Geir Draugsvoll (Dänemark).
Er ist Mitbegründer des „RADAR ensemble“, das sich durch einen Brückenschlag zur Performance, Improvisation und multimedialen Konzepten in der Neuen Musik positioniert. Hier konnte er bereits vielfältige Programme mitentwickeln und einige Auftragskompositionen vergeben und Uraufführen. Seit 2009 spielt Felix Kroll in der erfolgreichen Band „Die Grenzgänger“, die das fast vergessene Volksliedgut für die heutige Zeit wieder zugänglich und erlebbar machen. Stilistisch bewegen sie sich dabei zwischen Folk/Chanson, über Blues/Rock, bis zum Swing/Jazz. Neben diesen Projekten konzertiert er in verschiedenen Solo– und Kammermusikbesetzungen bis hin zu Theater– und Performanceprojekten, für die er bereits eigene Kompositionen anfertigte.